Ohne Zeit und Raum I

Wie schnell doch die Zeit vergehen kann. An diesem Zeitpunkt, dem shíhou, möchte ich mal ein Zwischenfazit über den Zeitraum, dem shíjiān, über die letzten 5 Monate, ziehen. Richtig, ich bin mittlerweile, ab morgen, schon ganze 5 Monate in China. Ich will jetzt aber auch gar nicht mit diesem Geplärre anfangen, bei dem man völlig erstaunt feststellt, wie schnell doch die Zeit vergangen ist, man gar nicht erwarten kann oder weiß wie was wann und bla bla bla...

Vielmehr will ich zu diesem shihou die letzten Monate noch einmal rekapitulieren. Dafür habe ich mir mal, extra für Euch, meine alten Einträge noch einmal durchgelesen und stelle fest:

29.Juli 2006
„Sofern ich Zeit dafür habe werde ich hier immer das mitteilen was mich beschäftigt hat und was ich so während dieser Zeit Interessantes erlebt habe.“

> Ich glaube, dass hat bisher ganz gut funktioniert, oder? Das mit der verfügbaren Zeit shí(hou/jian) ist aber für einen Blog, den ich hier freiwillig betreibe (muss man ja vielleicht erwähnen) eine ganz entscheidende Vorraussetzung. Vor allem als ich noch das Programm an der Uni hatte, war es schwer jeden Tag etwas zu schreiben. Ok, im Oktober war das weniger das Probem, lieber Herr Jobs!
Im Übrigen: Falls ihr gerade so beginnt euch mit der Blogosphere vertraut zu machen, kann ich euch nur die Sendung „Trackback“ empfehlen. Da geht es genau um Blogs, Podcasts usw. Jeden Samstag auf Fritz. Die Sendung gibts natürlich auch als Podcast (iTunes oder direkt auf der Website spreeblick.com) U.a. wird dort auch frei verfügbare Musik aus dem Netz gespielt (eines könnt ihr auf meiner Startseite anhören) Genug Werbung gemacht.

Ich erwähne diese Sendung, weil sie mich seit den Anfängen meines bloggens hier in China begleitet (ok, lief erst am 28.10. los, aber meinen mac hatte ich ja auch erst wieder am 14.10.)
Aber, ich habe immer interessante Tipps daraus mitgenommen und hier einfließen lassen. Aber so ein Blog ist sonst auch eine ganz gute Sache für einen Auslandsaufenthalt. Und nicht nur, um später eine nette Erinnerung davon zu haben, oder eine Grundlage für den Erfahrungsbericht, den ich noch schreiben muss, sondern vielmehr, weil es (und langsam wird mir es auch klar) eine sehr gute Möglichkeit bietet sich selbst mit der Erfahrung „Auslandsaufenthalt“ auseinander zu setzen, insbesondere, so wie ich es vielleicht jetzt gerade tue. Was mir dabei klar wird ist übrigens, dass die Idee der Paderborner Leute, einen Blog über ihren Aufenthalt schreiben zu müssen, ob Zwang jetzt eine gute Idee ist sei mal dahin gestellt, gar nicht schlecht ist. Ihr könnt deren Blog übrigens in der Blogroll auf meiner „Über mich“ Seite finden.
Man sieht vielleicht ganz gut, dass die Einträge mit dem Ende der Uni hier auch aufgehört haben. Ich meine, dass bloggen insbesondere und immer einer freiwillige Sache ist. Blogger sollten und tun es, denke ich, i.d.R. auch, aus idealistischen Gründen, sei es um zu kritisieren, zu informieren oder einfach nur um zu rekapitulieren. Sonst geht es am Gedanken des bloggens vorbei.

Womit wir, wenn wir diesen Gedanken weiterspinnen würden, bei der Idee von Trackback, der Sendung, wären, die u.a. solche Fragen näher beleuchten. Wer von euch blogt denn? Bisher kenne ich persönlich nur die Frühlingszwiebeln, die mal ruhig wieder was posten könnten unter fruehlingszwiebel.de, oder?!

01.September 2006
„Als erstes muss ich hier mal klären, dass der Flug natürlich nicht nur 6 Stunden gedauert hat. Ich hab mir da von meiner Ankunftszeit um 06:20 irgendwie verwirren lassen. Der Flug von Frankfurt (Main, es gab auf der Party auch die ein oder andere Frage welches Frankfurt) hat insgesamt etwa 9,5h gedauert.“

> So beginnt der erste Eintrag aus China. Außerdem erkäre ich wie der erste Tag abgelaufen ist. Ich muss sagen, neben den Schilderungen was einen erwartet sind sogar ein paar brauchbare Tipps drin Winking. Also genug cash dabei zu haben und froh darüber zu sein, dass einem am Anfang doch erstmal geholfen wird. Obwohl ich ja bereits 2 Jahre zuvor in China und auch in Peking war, ist es doch was ganz anderes ganz alleine hier anzukommen und sich gleich zurecht finden zu müssen, zumal mein Chinesisch da doch zu erheblichen Schwierigkeiten führen würde. Mittlerweile weiß ich ja wie man zum und vom Flughafen hier herum kommt.

Also liebe Gäste, keine Angst, ich finde euch schon, wenn ihr hier ankommt und wir finden sicher auch den Weg zu meiner Wohnung. Ihr könnt euch entscheiden, Taxi oder Bus und U-Bahn?

4.September 2006
„Dann muss man natürlich noch Registrierungsgebühren 410 und 300/Semester Krankenversicherung zahlen, mal abgesehen davon, dass ich bereits in Deutschland eine zusätzliche Auslandskrankenversicherung abgeschlossen habe.“

> Naja, dass man hier in China zu jeder shihou abgezockt wird, daran sollte man sich als laowai gewöhnen. Selbst die Uni ist da keine Ausnahme. Einige werden jetzt denken, dass 41€/Semester ja nicht die Welt sind, aber nach einer Weile in China wird man feststellen, dass man mit =410yuan eine ganze Menge anstellen kann. An dieses Preisniveau (um mal mit meinen vwl kenntnissen zu protzen) gwöhnt man sich jedenfalls noch schneller, als daran, dass man abgezockt wird. Das Problem dabei ist nur,dass man nach diesem shijian weiß, dass man abgezockt wird, es aber manchmal schwer fällt, sich dagegen zu wehren. Besonders beim Handeln.
Wir Deutschen sind das Handeln ja nicht gewöhnt und unterliegen deswegen anfangs meist den gewieften Chinesen. Bei uns vertraut man in den meisten Fällen den ausgeschrieben Preisen. Gibt es in Deutschland Wucher werden etliche Interessensgruppen aktiv, die Medien berichten darüber oder der Markt reguliert das von alleine. Aber hier China? Fehlanzeige. Die Kultur ist hier eben anders.

Hier weiß jeder, dass der erst genannte Preis die Startlinie markiert und dann geht das Rennen los und möglichst jeder will nicht zuviel „Preisgeben“ (Happy) Man handelt und kommt irgendwann zu einem vernünftigem Ergebnis. Und wenn einem der Preis eben doch nicht passen sollte, dann geht man eben zum nächsten Verkäufer, es gibt ja genug Angebot.
Inwiefern dabei der Umstand eine Rolle spielt, dass man Ausländer ist, kann ich jetzt nur vermuten. Ich habe aber festgestellt (was auch logisch erscheint), dass man auf einheimischen Märkten (wo es wenig Ausländer gibt) die Verkäufer einem nicht sooo dreist überhöhte Preise vorschlagen. Auch freuen sich die Verkäufer viel mehr, wenn man, so wie ich mit meinen bescheidenen Chinesischkenntnissen, anfängt zu handeln, die anderen Verkäufer schauen diesen Schauspiel zu und finden offenkündig Vergnügen daran.

Ganz anders dagegen, wenn man in einem laowaimarket, wie dem YaShow Clothing Market am Worker‘s Stadium in Chaoyang, einkauft. Dort wird man unter Garantie abgezockt. Das Handeln macht nur wenig Spaß, da hier alles wie ein Geschäft/Arbeit wirkt, also auch das Handeln selbst. Ich habe dort natürlich trotzdem etwas eingekauft. Abgesehen von dem Anzug, den ich mir dort hab schneidern lassen, wird man meistens verarscht.
Vielleicht noch kurz ‘ne Geschichte zum Handeln, die ich, ähm der Weihnachtsmann erlebt hat. In die Luilichang (da gibt‘s haufenweise „antiken“ Kram) wollte ich einen Flakon holen. Nach langwierigen Verkaufsverhandlungen, hatte ich ihn um mehr als die Hälfte gedrückt bekommen. Dummerweise habe ich mir, nur aus Interesse, noch einen anderen (unverschämt!) „teureren“ Flakon angeschaut und der Mann sah sein Geschäft. Obwohl der andere noch wertvoller war, hat er mir gleich mal die beiden zusammen für „nur“ 2x den ursprünglichen Preis des Günstigeren angeboten.

Ich habe natürlich dankend abgelehnt und war mit meinem vorherigen Verhandlungsgeschick zufrieden. Nachdem ich den Ersten gekauft hatte war ich drauf und dran zu gehen, habe nochmal einen Blick auf den „teureren“ Flakon geworfen und ging aus der Tür (ich wollte ja wirklich gehen). Und da ruft er mir hinterher und kommt sogar hinterher gelaufen um das Ding doch noch los zu werden.
Am Ende bot er mir die beiden zusammen zu dem Startpreis des Ersten an! Unglaublich oder? Man denkt, man hat klasse gehandelt und dann sowas. Ich habe mich dann breitschlagen lassen und habe auch den 2. mitgenommen.

Mein Fazit: Ohne Handeln läuft hier in China Nichts, jedenfalls nicht, wenn man nicht ausgenommen werden will wie eine Weihnachtsgans. Also, lernt das, wenn ihr herkommen wollt, oder nehm genug Geld mit, wie ihr wollt!

5.September 2006
„Heute Abend geht es zum großen Essen mit zahlreichen Austauschstudenten, Prof. Meng und natürlich dem Dekan unseres Fachbereichs. Ich bin schon sehr gespannt darauf und hoffe auch einen schönen Abend und lecker Essen.“

> Mit meiner Erfahrung aus Mensa - und Restaurantessen kann ich euch nur empfehlen: Bei ganz günstigem Essen (also um die 5-10kuai) sollte man den Imbiss kennen und wissen was gut ist, ansonsten kann es zum Glückspiel werden. Die verschiedenen Gerichte der oberen Preisklasse (30-50) würde ich meistens nicht empfehlen, das sind nämlich oft ausgefallene und exotische Gerichte,irgendwelche Krallen oder Köpfe.
Fazit: Wenn man die Karte nicht lesen kann und oder nicht gerade so etwas exotisches probieren will sollte man sich bei 10-30kuai pro Gericht halten. Dann bekommt man meistens das normale Essen, was die Chinesen auch bestellen.
Hiervon ausgenommen sind natürlich die hochpreisigen Restaurants. Ich rede jetzt also nur von den „normalen“ Imbissen/Restaurants um die Ecke.

Im Nachhinein, weiß ich nicht warum ich zum Abendessen beim Herrn Dekan geschrieben habe, dass es lecker war. Es war ok, aber teilweise nicht so mein Geschmack, um ehrlich zu sein. Vielleicht habe ich gedacht, dass die Leute das Lesen, was ich hier schreibe, und wollte es mir nicht verderben, keine Ahnung. Na wenn schon.

6.September 2006
„Heute morgen ging es erstmal ab zum „Fahrradladen“. Dort habe ich mir dann, für 400, ein ganz schickes kleines gekauft. 400 sind relativ gesehen natürlich ziemlich viel, aber ich wollte gerne etwas mehr investieren und ein qualitativ hochwertigeres Fahrrad kaufen, weil es ja ein ganzes Jahr halten soll.“

> Ehrlich, das war mein absoluter Lacher heute. Na gut, als ich das geschrieben habe, wusste ich ja noch nicht, was mich mit diesem Fahrrad erwarten würde, wie lose Hinterräder, abspringende Ketten und gebrochene Lenkstangen.
Ich muss ja sagen, dass ich, wenn ich Fahrrad fahre, es wenig schone und so manche Hürden genommen werden müssen. Und: chinesische Alltagsfahräder sind absolut nicht dazu geschaffen worden.
Ich weiß noch, wie der Fahrradhändler mein Auserwähltes genommen hat (nachdem ich angefangen habe den Preis zuverhandeln selbstverständlich), es hinten hoch gehoben hat (etwa 20cm!) und hat fallen lassen.
Oh mein Gott, es hält, unglaublich!
Keine Ahnung, was er mir damit zeigen oder vermitteln wollte, auf jeden Fall konnte ich deswegen den Preis nur sehr wenig „nachbessern“. Abgesehen davon, dass dieses verflixte Hinterad mir deswegen die Bezahlung eines horrenden Preis abverlangt hat, ging es ab und zu in der Materialschlacht Asphalt gegen Stahl, oder Alu (whatever) unter.
Am Anfang habe ich noch gedacht, ich könne mit so einem Fahrrad das Jahr über auskommen. Zumal, es im Verhältnis zu den chinesischen Rädern schon wirklich ein Gutes war, aber ich habe gemerkt, ich kann das nicht. Ich brauche ne Gangschaltung und ein Rahmen, der was aushält, sonst werd ich unglücklich.

Momentan steht es einsam und verlassen am BIT Campus und wartet darauf von mir abgeholt zu werden. Ich denke, wenn Robert kommt, werde ich es wieder holen und dann kann man ja einen Tag oder so hier in Peking rumradeln, man muss ja nicht hetzen.

So, jetzt habe ich eine Menge geschrieben und bin noch lange nicht fertig. Ich denke, dass ich morgen einfach weiter mache, vielleicht mit den Motorcars, und entlasse euch hiermit, quasi per Cliffhänger, ins Lernvergnügen.

31.01.2007, Mittwoch, Woche 5